STADT LAND KIND

Titel, Wann, Wo

STADT LAND KIND.
NISCHENLAND.
GHOSTWRITING ODENWALD. 
2018–2021
Künstlerische Forschungsarbeit mit Kindern im Lautertal/hess. Odenwald

Forschungsfrage/-thema

Befragung von Zuschreibungen des Verhältnisses von Stadt- und Landkindheit und ländlichen Erbes in intergenerationaler Perspektive

Befragung ländlicher Nischen, ihrer Chancen und Gefahren für eine Gesellschaft

Untersuchung vergangener, lokaler Umbrüche sowie zum Verhältnis zwischen Heimat, Zugehörigkeit und Fremdheit

Initiierende / Projektleitung

Performanceduo willems&kiderlen

Beteiligte Institutionen/Kontext und Anbindung

FLUX – Netzwerk Theater und Schule: Künstlerresidenzen in ländlichen Räumen
Kooperation mit Mittelpunktschule Gadernheim 
wissenschaftliche Begleitung durch die Universität Koblenz 

Mitforschende

Kinder, Eltern und Großeltern wie auch weitere Bürger*innen der Gemeinde

Forschungsverfahren & Mittel

Recherche und Interviews mit Bewohner*innen, Expert*innen und Wissenschaftler*innen zu den Themenfeldern, performatives und partizipatives Vorgehen an Orten im Lautertal im hessischen Odenwald

Präsentationsformate/Dokumentationsformen

1. Live-Audio-Walk von 7 Kindern geleitet, in dem sich das Publikum (auch Kindern und Erwachsene aus der Stadt) auf die Spuren ihrer Alltagswege, ihrer Imaginationsräume und geheimen Orten begibt 

2. Kinderführungen zu ihren Nischen und szenisches Spiel übertragen für eine installative Performancelecture in einem Gasthofsaal vor Ort

3. Filmessay

Prozessorganisation/Dauer

Dreijährig angelegte Residenz im Lautertal/Odenwald (2018–2021) mit jeweils zwei Monaten Aufenthalt der Künstler*innen vor Ort

Forschungsergebnisse

1. Das Projekt STADT LAND KIND ist eine künstlerische Untersuchung über städtische Zuschreibungen zu Kindheit auf dem Lande im Kontrast zur Kindheit in der Stadt im Rahmen des FLUX Artists in Residence-Programms. Kindheit ist nicht gegeben, sondern wird gemacht. Besonders unterscheiden sich dabei die Bilder und Erzählungen von Kindheiten in Bezug auf die beiden unterschiedlichen Lebensräume: die Stadt und das Land. Um beide Räume kreisen gesellschaftliche Vorbilder und Erzählungen, in denen sich die Wünsche, Ängste und Erfahrungen der jeweiligen Bevölkerungsgruppe spiegeln. So gibt es Kindheitsbilder, die sich spezifisch auf die beiden Lebensräume beziehen: Kindheit auf dem Land als romantisch verklärtes Bild, die Stadt als nicht kindgerechter, gefährlicher Raum, das Stadtkind als weltoffenes, gebildetes Kind, das Landkind als provinziell und einfach, das Landkind als Naturkind, das Stadtkind als von der Natur entfremdetes Kind usw. In STADT LAND KIND wurde diesen Vorbildern und Zuschreibungen auf den Grund gegangen und versucht, die Grenze zwischen Stadt- und Land-Kindheit auszuloten und die Zuschreibungen zusammen mit Kindern in Form einer Stadt(Land)raum-Inszenierung auf die Probe zu stellen.


2. Aus dieser ersten Residenz entstand die Idee für die installative Performancelecture NISCHENLAND: Sie bearbeitet die Fragen: Was ist eine Nische? Was sind ländliche Nischen? Wir erfahren, dass Nischen Freiraum für Eigensinniges und Spezialistentum, Versuchsanordnungen und Modellhaftes bedeuten, aber auch Gefahr laufen, uns in ihnen zu verlieren und den Weg raus nicht mehr zu finden. Nischen begegnen uns überall und doch sind sie schwer festzulegen. Solidarische Landwirtschaftsmodelle, Rückzugsorte von Kindern, Ackerstreifen als Wanderkorridore und völkische Landnahme – all das wird Nischen genannt. Vorgestellt wird, von wem, was sie ausmacht, wie mit ihnen umgegangen wird und nicht zuletzt warum diese gerade für Kinder angesichts einer teils überhüteten und institutionellen Überwachung von Kindheit eine Bedeutung haben.


3. Im Zentrum der dritten FLUX-Künstler*innen-Residenz GHOSTWRITING ODENWALD in Kooperation mit der Videokünstlerin Charlotte Bösling stand eine mehrgenerationale Begegnung, in der die Erzählungen, Erinnerungen, Lebensgeschichten und Umbruchserfahrungen einer älteren Land- Generation erforscht, gesammelt und anschließend von einer jüngeren Generation performativ angeeignet und in Szene gesetzt wurde. Geplant war diese mehrgenerationale Begegnung ursprünglich als eine Live-Performance, in welcher die Kinder die Geschichten ihrer Großeltern mittels ihrer Medien und ‘Spielzeuge’ reenacten. Durch die Corona-Einschränkungen wechselte das Duo das Medium hin zum Film. Entstanden ist ein filmischer Essay, in dem vor allem das Gegensatzpaar von "heimelig" und "unheimlich" produktiv gemacht wird: Das Gefühl, zugehörig zu sein und in seinem*ihren Ort aufzugehen – und sich zugleich auch unheimlich und fremd in der eigenen Heimat zu fühlen.

Referenzen & Sonstiges

1. Lautertaler Protokolle (2020): https://dielautertalprotokolle.de/ghostwritingodenwald

2. Sauer, Ilona (2022): Passagen: Weitergehen. Künstlerische Positionierungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in den FLUX-Residenzprojekten. In: K. Westphal/B. Althans/M. Dreyer/M. Hinz (Hgg.): KIDS ON STAGE. Andere Spielweisen in der Performancekunst. transgenerational. transkulturell. transdisziplinär. Bielefeld, 339-357.

3. Westphal, Kristin/Kranixfeld, Micha (2023 i.V.): Landschaft als Mitspielerin? Ortsbezogene Performance in ländlichen Räumen. In: O. Krüger/dies. et al. (Hgg.): Landschaft – Performance – Teilhabe. Ländliche Räume in kultureller Bildung und künstlerischer Praxis. Bielefeld.

4. Eine weitere künstlerische FLUX-Residenz in einer anderen Besetzung unter dem Label MONSTRA setzt die Beforschung des Odenwalds in Zusammenarbeit mit Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Expert*innen für eine Documentary-Fiction Film fort:

AUS DEM WALD RUFEN: https://flux-hessen.de/residenzen/

© willems&kiderlen
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