Manifest

Partizipative Forschung im Kinder- und Jugendtheater – das Manifest


Partizipative Forschung im Kinder- und Jugendtheater hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer eigenen Forschungsrichtung zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft entwickelt. Sie bringt Menschen aller Generationen in ein Probehandeln und macht das Theater zu einem Labor für alternative Zukünfte. Sie öffnet Foren für marginalisierte Gruppen, die auf öffentlichen Bühnen oft wenig sichtbar sind, und setzt sich für gesellschaftliche Teilhabe an Forschung ein.

Partizipative Forschung im Kinder- und Jugendtheater hat das Potenzial alle Teile der Gesellschaft in ein gemeinsames Nachdenken und Experimentieren zu bringen, eine Vielzahl von Institutionen in sozialen, wissenschaftlichen und anderen Feldern zu beteiligen und diverse Öffentlichkeiten hervorzubringen. Die Teilhabe der Kinder und Jugendlichen dient dabei nicht nur ihnen selbst, sondern ermöglicht auch den beteiligten Erwachsenen und Institutionen wichtige Lernprozesse: die Wertschätzung heterogener Gruppen, die Erprobung inklusiver Verfahren und die gezielte Entwicklung von Diversität. Partizipative Forschung mit Kindern und Jugendlichen setzt sich für ein Recht auf Forschung ein, das die Perspektive und die Expertise aller Mitglieder der Gesellschaft gleichermaßen achtet.

Partizipative Forschung im Kinder- und Jugendtheater beschäftigt sich transdisziplinär mit Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens im Generationenverhältnis. In Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen und anderen Expert*innen umfasst ihr Themenspektrum so unterschiedliche Bereiche wie Klimakrise und Ökonomie, Transkulturalität und Migration, Justiz und soziale Ungerechtigkeit, Stadtplanung und Alltagskultur, Körper und Gender, Diskriminierung und psychische Belastung, Teilhabe, Macht und Demokratie.

Dabei entwickelt die partizipative Forschung im Kinder- und Jugendtheater wichtige Tools und Verfahren auch für die politische Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Bislang setzt die Bundesrepublik Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention – das Recht von Kindern auf politische Beteiligung – zu wenig um. Einer aktuellen Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks zufolge fühlen sich 83 Prozent der Kinder und Jugendlichen zu wenig oder gar nicht gehört. Dies steht in engem Zusammenhang mit wachsenden psychischen Problemen von Kindern und Jugendlichen. Partizipative intergenerationelle Forschung ist ein geeigneter Weg, Kindern und Jugendlichen mehr gesellschaftliche Mitsprache zu geben und politische Partizipationsprozesse zu initiieren und zu begleiten.

Partizipative Forschung im Kinder- und Jugendtheater hat sich zu einem komplexen Tätigkeitsfeld entwickelt, das an Universitäten gelehrt wird, das Best Practice Modelle und Methoden entwickelt, kritisch diskutiert und weitervermittelt. Hunderte von Kindern und Jugendlichen werden jährlich an partizipativen Forschungsprozessen beteiligt. Dutzende von Forscher*innen, Lehrenden und Künstler*innen sind in diesem Feld tätig, zahlreiche Absolventinnen aus unterschiedlichen Studiengängen planen, im Feld tätig zu werden.

Wir, die Unterzeichner*innen, fordern Bund, Länder und weitere Akteur*innen der Kultur- und Wissenschaftsförderung auf,

- partizipative Forschung im Kinder- und Jugendtheater und in anderen performativen Künsten als intergenerationelle Forschung zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft anzuerkennen.

- eigene Förderlinien und Programme für die partizipative Forschung mit Kindern und Jugendlichen aufzulegen, zu denen auch eigens auf diese Forschungsrichtung angepasste Ausschreibungs-, Auswahl- und Evaluationsverfahren gehören. Es gilt, nachhaltige, größere Forschungszusammenhänge, ebenso wie Nachwuchsförderung zu ermöglichen.

- Kulturinstitutionen, die partizipative Forschung mit Kindern und Jugendlichen ermöglichen wollen, strukturell dazu in die Lage zu versetzen und sie als außeruniversitäre Forschungsinstitute anzuerkennen.

- Zentrale gesellschaftliche Veränderungs- und Planungsprozesse, mit Programmen für eine intergenerationelle Begleitforschung auszustatten, die sich auf die besondere Expertise von Kunst und Kultur zur Einrichtung inklusiver Forschungsprozesse stützt. Dabei gilt es auch Kinder- und Jugendliche als Impulsgeberinnen mit einzubeziehen.

- nachhaltige Strukturen für die Zusammenarbeit zwischen Kulturinstitutionen, Hochschulen und Institutionen der Bildung (Schulen, KiTas) zu entwickeln, um partizipative Forschung mit Kindern und Jugendlichen zu stützen.

- Ausbildungen und Fortbildungen, sowie eine angemessene Bezahlung für Berufe im Feld der partizipativen, performativen Forschung mit Kindern und Jugendlichen zu sichern.

- die Ergebnisse intergenerationeller Forschungsprojekte ernst zu nehmen, sie sichtbar und gesellschaftlich wirksam werden zu lassen.

Participatory research in children's and youth theater – the manifesto

Over the past few decades, participatory research in theatre for young audiences (TYA) has developed into a distinct field at the intersection of art, science, and society. It brings people of all generations together in experimental settings and turns the theater into a laboratory for alternative futures. It opens forums for marginalized groups that are often less visible on public stages and promotes social participation in research.

Participatory research in TYA has the potential to bring all parts of society together in joint reflection and experimentation, to involve a variety of institutions in social, scientific, and other fields, and to create diverse and lively publics. The participation of children and young people not only benefits them, but also enables important learning processes for all adults and institutions involved: the appreciation of heterogeneous groups and diversity, as well as the development of inclusive procedures.

Participatory research with children and young people advocates for a right to research that equally respects the perspectives and expertise of all members of society.

Participatory research in TYA takes a transdisciplinary approach to questions of social coexistence in intergenerational relationships. In collaboration with scientific and other experts, its range of topics covers areas as diverse as economics and the climate crisis, cultural studies and migration, justice and social injustice, urban planning and everyday culture, body and gender, discrimination and mental health, participation, power, and democracy.

Participatory research in TYA develops important tools and procedures for the political participation of children and young people. To date, the Federal Republic of Germany has not sufficiently implemented Article 12 of the UN Convention on the Rights of the Child—the right of children to political participation. According to a recent survey by the German Children's Fund, 83 percent of children and young people feel that they are not heard enough or not heard at all. This is closely related to the growing mental health problems among children and young people. Participatory intergenerational research is a suitable way to give children and young people more say in society and to initiate and accompany political participation processes.

Participatory research in TYA has developed into a complex field of activity that is taught at universities, develops best practice models and methods, and is critically discussed and disseminated. Hundreds of children and young people are involved in participatory research processes every year. Dozens of researchers, teachers, and artists are active in this field, and numerous graduates from various degree programs plan to work in this field.

We, the undersigned, call on the federal government, the states, and other actors involved in the promotion of culture and science to

- recognize participatory research in children's and youth theater and other performing arts as it’s own professional field: intergenerational research between art, science, and society.

- establish separate funding lines and programs for participatory research with children and young people, including application, selection, and evaluation procedures specifically adapted to this field. It is important to enable sustainable, larger research contexts as well as the promotion of young talent.

- Enable cultural institutions that want to facilitate participatory research with children and young people to do so and recognize them as research institutes.

- Equip central social change and planning processes with accompanying programs for intergenerational research which draw on the special expertise of art and culture to establish inclusive processes and appreciate young people’s input.

  • Sibylle Peters (FUNDUS THEATER / Forschungstheater FT)
  • Christiane Alfers (Vermittlerin TheaterGrueneSosse)
  • Lisa Apel (Musikerin, Performerin, Theaterpädagogin)
  • Eva-Maria Baumeister (Regisseurin/Autorin/Kuratorin / *PolarPublik)
  • Charlotte Baumgart (KoKo - Kompanie Kopfstand)
  • Hannah Biedermann (pulk fiktion - künstlerische Leitung / freie Regisseurin)
  • Julius Brockmann (Theaterpädagoge)
  • Josep Caballero García (Choreograph- Berlin/Hamburg)
  • Jens Jakob de Place (Theaterpädagoge, Theatermacher, Lehrer für Theater)
  • Dorothee de Place (freie Regisseurin)
  • Dagmar Domrös (Theater o.N. / FRATZ International)
  • Gabi dan Droste (FELD Theater Berlin / freischaffend)
  • Kai Fischer (Die AZUBIS)
  • Ole Frahm (LIGNA)
  • Bruno Franceschini (Regisseur/Komponist)
  • Stefan Gebhard (Zentrum für Zeitgenössisches Theater und Performance, Universität Koblenz)
  • Verena Gerlach (TheaterRaumMainz)
  • Thilo Grawe (Dramaturg für Partizipationsprozesse)
  • Christoph Grothaus (Meine Damen und Herren)
  • Maike Gunsilius (Professorin für die Ästhetik des Kinder- und Jugendtheaters, Universität Hildesheim)
  • Meike Helmbrecht (red Park)
  • Franziska Henschel (Professorin für interdisziplinäre künstlerische Praxis und Theorie MSH Hamburg)
  • Eleonora Lela Herder (andpartnersincrime)
  • Melanie Hinz (Professur für Theaterpädagogik UdK/ Mitglied der Frl. Wunder AG)
  • Judith Huber (PATHOS Theater München)
  • Laura Kallenbach (Theaterwissenschaftlerin / CHICKS* freies performancekollektiv)
  • Barbara Kantel (Dramaturgin / Schauspiel Hannover)
  • Milena Kaute (Theaterpädagogin/ Performancekünstlerin/ freischaffend)
  • Tetje Kegler (Studentin/ Uni Hildesheim)
  • Micha Kranixfeld (Künstler & wiss. Mitarbeiter Universität Koblenz)
  • Verena Lobert (Frl. Wunder AG, Performerin, Theaterschaffende & Dozentin)
  • Angela Löer (Turbo Pascal)
  • Nora Mira Maciol (Theater- und Performancefrau)
  • Elke Mark (Performancekünstlerin)
  • Eva Meyer-Keller (Performancekünstlerin)
  • Chiara Nicolaisen (Studentin)
  • Darren O'Donnell (Artistic Director/Mammalian Diving Reflex)
  • Lucie Ortmann (Dramaturgin / tanzhaus nrw)
  • Charlotte Pfeifer (Traummaschine Inc.)
  • Esther Pilkington (Performancekünstlerin, freischaffend)
  • Eva Plischke (forschende Künstlerin, Performerin, Turbo Pascal)
  • Anne Pretzsch (Performancekünstlerin, freischaffend)
  • Elisa Priester (Theater Kormoran)
  • Larissa Probst (Vermittlerin)
  • Grit Röser (Forschende Theaterpädagogin/Künstlerische Leitung wolkenkratzerkombinat)
  • Mira Sack (Professur Theaterpädagogik, Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), Schweiz)
  • Ilona Sauer (Kulturvermittlerin)
  • Nicola Scherer (Professorin für Kulturmanagement und kulturelle Arbeit/ Hochschule Niederrhein + Forscherin und Dozierende für Transformationsprozesse)
  • Ute Schlegel-Pinkert (Professorin für Theaterpädagogik/UdK Berlin)
  • Anne Schneider (Regisseurin, Kollektiv Nachhaltige Kultur)
  • Lisa Vera Schwabe (forschende Künstlerin)
  • Anja Steidinger (Künstlerin & Professorin Kunstpädagogik HFBK Hamburg)
  • Wolfgang Sting (Professor für Theaterpädagogik, Universität Hamburg)
  • Jan Stuhlmann (Uni Hamburg)
  • Jörg Thums (red park)
  • Margarita Tsomou (Professorin "Zeitgenössische Theaterpraxis" HS Osnabrück, Kuratorin HAU Hebbel am Ufer)
  • Elise v. Bernstorff (HBK Braunschweig)
  • Aliena Wagner (Theaterpädagogin/ Theaterlehrerin/Latibul Köln)
  • Kristin Westphal (Professorin Universität Koblenz, Zentrum für zeitgenössisches Theater und Performance)
  • Kim Willems (MONSTRA)
  • Ines Wuttke (FLUX Netzwerk Theater und Schule)